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selbsterkenntnis zum schmunzeln

Ausflug zum Drachenfels

Drei Freundinnen, nennen wir sie Viviana, Pia und Karo verabreden sich auf dem Drachenfels. Sie kennen sich solange sie sich erinnern können, teilen sie doch eine unbeschwerte Kindheit. Auch heute fühlen sie sich noch eng verbunden, wenn auch im Laufe der Jahre ihre deutliche Verschiedenheit mitunter zu kleinen Missverständnissen geführt hatte. Nun haben sie sich längere Zeit nicht gesehen, wünschen innig das harmonische Miteinander wiederzubeleben, fehlt doch etwas ganz Entscheidendes ohne die jeweils anderen. Um einmal ganz unter sich sein, wird übereinstimmend vereinbart, an diesem Tag ausnahmsweise das Handy mal zu Hause zu lassen.

 

Treffpunkt ist die Talstation der Zahnradbahn in Königswinter, sagen wir, an einem Vormittag mitten in der Woche.

Viviana ist schon eine Stunde vor dem Termin vor Ort. Die Parkplatzsuche. Man weiß ja nie und sie war doch auch schon lange nicht mehr dort. Bestimmt hat sich alles verändert! Sicher ist sicher. Und wenn sie schon mal da ist, kann sie ja auch gleich die Fahrkarte kaufen. Bald beginnt bestimmt der Andrang und in der Schlange stehen ist ihr ein Greuel. Daher ist sie auch die erste, die das Schild entdeckt. Wegen dringender Wartungsarbeiten fallen die ersten zwei Bergfahrten an diesem Vormittag aus. In der Nacht hat ein kräftiger Wind Äste auf die Gleise geweht. Die müssen noch eingesammelt werden. Die Bahn bittet freundlich um Verständnis. Safety first.

Das ist ja alles gut und schön, denkt sich Viviana, aber was wird nun aus unserem Treffen??? Am Nachmittag hat sie ja schließlich schon andere Termine. Und dann das Handy nicht dabei!! Was die anderen wohl dazu sagen? Wenn sie sich gar verpassen??? Ach, es war doch schon so schwierig einen gemeinsamen Termin zu finden!

Nun, tröstet sie sich schließlich, vielleicht wussten die Beiden aber auch schon von dem Ausfall und sind zu Fuß gegangen. Kurzentschlossen wählt Viviane den Weg durch das romantische Nachtigallental. Dort führt der Weg durch eine waldige Schlucht, an einem kleinen Bach entlang. Gedacht, getan.

Pia trifft wie immer genau zum vereinbarten Zeitpunkt ein, liest den Hinweis, entscheidet sich sofort für den Fußweg, nimmt aber gerne die Herausforderung der steilsten Variante an. Unterwegs hilft sie einer Mutter, die den Buggy mit ihren Zwillingen mühevoll gegen die Schwerkraft schiebt. Pia macht das mit Links. Weiter oben steht am Wegesrand ein Mountainbiker mit gerissener Fahrradkette. Pia kann nicht mit ansehen wie er mit dem Werkzeug hantiert, behebt den Schaden binnen kurzer Zeit und erfreut sich ihrer praktischen Veranlagung. Zum Dank verrät ihr der Mountainbiker eine Abkürzung zum Drachenfels, die Pia gerne ausprobiert. So wird sie bestimmt als Erste oben sein.

Karo kommt leider mit etwas Verspätung beim Treffpunkt an, beschließt noch einen Moment zu warten, denn vielleicht ist den Beiden ja auch was dazwischengekommen. Sie entdeckt dann das Hinweisschild und bestellt sich erstmal einen Kaffee, da überlegt es sich doch gleich viel besser. Den Picknickkorb (für alle Fälle) wird sie jedenfalls nicht den Berg hinauftragen, soviel ist sicher! Dann nimmt sie doch lieber die übernächste Bahn und entscheidet sich für vertrauensvolles Abwarten.

Der Wartesaal füllt sich allmählich, doch Karo hat den besten Platz schon für sich und die Freundinnen reserviert und es sich gemütlich gemacht, bestimmt trudeln die Beiden gleich ein. Auf den einen Stuhl stellt sie den Picknickkorb, über der Lehne des anderen hängt bald ein dicker Schal, ihre Jacke zum Wechseln, das Stirnband und die große Handtasche, gefüllt mit allem was frau so braucht. Als eine junge Familie mit zwei kleinen Kindern den Saal betritt ist es mit der Ruhe allerdings vorbei. Den offensichtlich gestressten Eltern passt die Planänderung gar nicht in den Kram. Sie fragen Karo, ob sie sich zu ihr setzen dürfen, denn sie ist die einzige, die ihnen freundlich zulächelt. Karo macht verständnisvoll Platz, während sie ein beruhigendes Gespräch mit den Eltern beginnt und sich den Kindern mit der Frage widmet, ob sie denn den Drachen schon gesehen hätten. Und ehe sie sich versehen, gibt sie gut gelaunt die Geschichte von Siegfried zum Besten, den sie übrigens über ein paar Ecken zu ihrer weit entfernten Verwandtschaft zählt.

Doch zurück zu Viviana, die mit allen Sinnen den Weg durchs Nachtigallental genießt. Über all die schönen Eindrücke, sind Ihre Sorgen schnell verfolgen. Unterwegs trifft sie ein Paar, das auch schon in aller Frühe unterwegs ist. Schnell knüpft sie Kontakt und es entspinnt sich ein angeregtes Gespräch, als sich herausstellt, dass die Beiden Autoren eines historischen Romans sind und vor Ort auf der Suche nach geeigneten Schauplätzen.

Währende der lebhaften Unterhaltung gibt Viviane ihren Wunsch preis, auch immer schon ein Buch schreiben zu wollen. Man tauscht Ideen, Erfahrungen, Kontakte aus, bis die kleine Gruppe schließlich beim Milchhäuschen ankommt. Erst jetzt wird Viviana bewusst, dass sie vor lauter Begeisterung vom Weg abgekommen ist. Hastig verabschiedet sie sich und ist in der Aufregung völlig unschlüssig, ob sie nun weiter zum Drachenfels oder doch lieber zurück zur Talstation laufen soll, schließlich ist schon bald Mittag. An der Weggabelung entscheidet sie sich intuitiv für die Talstation, hadert dann aber doch den ganzen Weg über, ob das auch die richtige Entscheidung ist.

Pia ist inzwischen oben angekommen. Da die Freundinnen im Restaurant nicht zu finden sind, entschließt sie sich weiter den Berg hinauf zu steigen bis zur Ruine. Der Blick von dort oben ist einfach jedes mal wieder überwältigend. Und wenn schon einen Berg hinauf, dann bis ganz nach oben! Ist doch klar. Ein paar Schlucke Wasser, das sie fast immer mit dabei hat und schon meldet sich ihr guter Appetit. Zurück im Restaurant wirft sie erstmal einen Blick in die neue Speisekarte. Beim Essen wird ihr die Zeit nicht lang und eine Mahlzeit auszulassen kommt für Pia  nicht in Frage, gesteht sie sich ein, sonst könnte sie doch noch ungemütlich werden. Da kommt ihr das neue Angebot der 'Vollwertwaffel Vital' gerade zu pass. Das ist gesund und hält ein bisschen vor. Denn anschließend wird sie sich auf den Rückweg ins Tal machen, vielleicht noch mit einem Abstecher zur Wolkenburg. Pia schätzt Pünktlichkeit.  Warten ist nicht ihr Ding. Und ob die Beiden überhaupt noch kommen, wer weiß das schon. Sie ist entschlossen, das Beste draus zu machen und hat sich immerhin Bewegung verschafft.

Als Viviana mit wehendem Mantel und aufgelöstem Haar ganz außer Atem in der Talstation ankommt, findet sie Karo im Kreise unbekannter Menschen an mehreren zusammengerückten Tischen sitzen und hört sie mit großen Gesten erzählen. Die Geschichte von Siegfried endet gerade zum dritten mal, doch die wachsende Zahl der Zuhörer ist immer noch ganz Ohr.

Karo freut sich leidenschaftlich über Vivianas Ankunft, ist sich nun umso sicherer, die richtige Entscheidung getroffen zu haben und lädt Viviana zu Kaffee und Kuchen ein, doch Viviana winkt ab. Die ganze Aufregung schlägt ihr immer gleich auf den Magen und darüber hat sie das Essen mal wieder völlig vergessen. Doch weil ihr so schnell kalt wird, entschließt sie sich nach einigem Für-und-Wider zu einer Tasse heißer Schokolade, diese aber bitte mit einer doppelten Portion Schlagsahne. Kuchen? Vielleicht später.

Als Viviana sich beruhigt und Freude an den farbenfrohen Schilderungen Karos gefunden hat, bittet sie spontan beim freundlichen Personal um Papier und Bleistift, beginnt Skizzen der Anwesenden zu zeichnen und entwirft einen Drachen, der sich sehen lassen kann.

Pia trifft kurz darauf leicht erhitzt aber durchaus zufrieden in der Talstation ein. Sie hat unterwegs noch einige Empfehlungen für besonders anspruchsvolle Wanderungen erhalten und ist fest entschlossen, ab jetzt mindestens zweimal die Woche den Berg zu erklimmen. Liegt er doch praktisch vor der Haustür, der sagenhafte Drachenfels. Und wer weiß, vielleicht ist doch noch der Mountainbike-Wanderführerschein dran, um ihre Freude an Bewegung mit einer zusätzlichen Einnahmequelle verbinden zu können. Diese lukrativen Aussichten versöhnen sie gänzlich mit der misslungenen Verabredung. Wer weiß, wofür doch immer alles gut ist, würde Karo dazu sagen.

Auch Pia wird von Karo zum Kaffee eingeladen, doch Pia bleibt, diszipliniert und konsequent wie sie ist, beim Wasser. Sie will sich auch bald verabschieden, denn am frühen Abend hält sie ihre Hauptmahlzeit und die will ja schließlich noch sorgfältig vorbereitet werden.

Dankend nimmt sie dann jedoch Karos Angebot an, ihr den Inhalt des Picknickkorbes zu überlassen (selbstgemachter Kartoffelsalat, ein Stück kalter Braten, ein belegtes Brot und ein süßer Nachtisch), damit sie noch ein bisschen bleiben kann. Das Brot muss Karo allerdings für sich selbst behalten. Nach süßem Kuchen braucht sie erfahrungsgemäß eine herzhafte Kleinigkeit.

Pia sieht im Vorbeigehen die Skizzen von Viviana. „Nicht schlecht“, sagt sie, „wie wär‘s, wenn du daraus ein Kinderbuch machst? Du warst doch immer schon so kreativ. Ich kenne da Eine in meinem Unternehmerinnen-Netzwerk, die könnte sich dafür interessieren.“ Nach einigen aufmunternden Worten und weiteren praktischen Tipps hat sie mit leichter Hand Vivianas Befürchtungen ob solch einer, aus deren Sicht, gewagten Unternehmung vom Tisch gewischt. In Sachen Unternehmung ist Pia erfahren und tiefenentspannt. Viviana erwidert anerkennend, „Du würdest dich auch gut als Beraterin für Start-Ups machen.“ „Stimmt!“ sagt Pia, denn sie weiß was sie kann. „Und Du“, sagt sie zu Karo, „wann lädst Du denn nun zu Deinem ersten Märchenabend ein?“

 

Kurz darauf löst sich die Gruppe auf, die Bahn fährt wieder. Beim nächsten Mal treffen sie sich aber bestimmt alle oben auf dem Drachenfels! Viviana wird wieder den Weg durchs Nachtigallental nehmen und verspricht, sich nicht ablenken zu lassen. Pia kommt vielleicht mit dem Mountainbike, bestimmt aber quer durch den Wald und Karo wird noch überlegen, ob sie sich von Viviana für den romantischen Fußweg begeistern lässt, oder doch lieber die Fahrt mit der nostalgischen Zahnradbahn genießen möchte. Sie verabschieden sich herzlich voneinander und sind sich selten einig: Was für ein schöner Tag!

Katharina Arhelger


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